Kindeswohlgefährung erkennen

Einzelne Merkmale müssen nicht automatisch ein Anzeichen sein! Es gibt oft auch ganz andere Erklärungen für das Verhalten und/oder Erscheinungsbild des Kindes. 

Dein Eindruck ist wichtig! Denn wenn sich deine Vermutungen bestätigen, dann ist das Wohl des Kindes in Gefahr.

  • Spreche die Eltern nicht direkt darauf an!
  • Achte weiterhin auf das Kind und suche dir eine Vertrauensperson, mit der du über deine Beobachtungen sprechen kannst.
  • Dokumentiere deine Beobachtungen, denn im Falle einer Gefährdung kann das sehr hilfreich und ausschlaggebend sein. 

Arbeitshilfen zur Dokumentation findest du auf: www.atsv-im-kinderschutz.de/arbeitshilfen-zur-dokumentation

Erscheinungsbild des Kindes

  • Häufige Blutergüsse, Abschürfungen, Verbrennungen, Prellungen, Knochenbrüche etc., für die es keine plausible Erklärung gibt oder für die widersprüchliche, unstimmige und/oder zweifelhafte Begründungen angegeben werden.
  • Erkennbare Anzeichen von starker Über- oder Unterernährung.
  • Erkennbare mangelnde Körperhygiene (z.B. extremer Körpergeruch).
  • Das Kind trägt meist schmutzige, immer die gleichen, ungepflegte und/oder nicht altersgemäße oder nicht der Witterung entsprechende Kleidung.

Verhalten des Kindes

  • Kind wirkt übermäßig gehemmt oder distanzlos, aggressiv, autoaggressiv, isoliert, kontaktscheu, überangepasst, unsicher, apathisch, unruhig, schnell frustriert, häufig geistig abwesend.
  • Extrem schreckhaft, verängstigt und/oder immer traurig.
  • Eine plötzliche Verhaltensänderung fällt auf.
  • Das Kind erzählt häufig oder altersunangemessen in sexualisierter Form, beschreibt sexuelle Handlungen, und/oder spielt in sexualisierter Form.
  • Das Kind verletzt sich selbst („Ritzen“, Kopf an die Wand schlagen usw.).
  • Das Kind wirkt berauscht und/oder benommen.
  • Das Kind berichtet von ständig wechselnden Bezugspersonen.

Verhalten der Eltern

  • Die Eltern zeigen ein aggressives, schnell aufbrausendes Verhalten.
  • Das Kind wird häufig massiv beschimpft, verängstigt oder erniedrigt.
  • Gegenüber dem Kind wird massiv oder häufig Gewalt angewendet (z.B. schütteln, schlagen, einsperren).
  • Das Kind wird über einen unangemessen langen Zeitraum sich selbst überlassen.
  • Das Kind erhält nicht zuverlässig und ausreichend Nahrung.
  • Krankheitsbehandlungen oder Förderung des (behinderten) Kindes werden verweigert.
  • Das Kind wird isoliert (z.B. Kontaktverbot zu Gleichaltrigen).
  • Die Eltern verhalten sich permanent distanziert, „kalt“ und/oder gleichgültig gegenüber dem Kind.
  • Die Eltern oder ein Elter verhält sich sexualisiert und übergriffig auf andere.
  • Die Eltern ermöglichen den Zugang zu nicht altersgemäßen Medien (Gewalt verherrlichend, pornographisch).
  • Die Eltern tragen ein unnatürlich freundliches Bild nach außen, um von der Gefährdung des Kindes abzulenken

Anzeichen für sexuelle Gewalt gegenüber einem Kind

  • Ein Kind, das bislang ruhig agiert hat, reagiert aggressiv (oder umgekehrt).
  • Das Kind vermeidet körperlichen Kontakt oder verhält sich distanzlos.
  • Das Kind fürchtet sich vor dem Alleinsein mit älteren Jugendlichen/Erwachsenen.
  • Das Kind hat plötzlich Angst, allein ins Bad zu gehen.
  • Das Kind zeigt eine unerwartete Gehemmtheit dem eigenen Körper gegenüber.
  • Ein Kind hat Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen.
  • Ein Kind meidet bisherige Freunde.
  • Ein Kind hat häufig Sprachstörungen, Essstörungen, Bauchschmerzen oder Unterleibsschmerzen.

Sportspezifische Erscheinungsbilder

  • Statistisch werden Sportvereine (Öffentliche Bildungs- und Freizeiteinrichtungen) selten als Tatort genannt
  • Der größte Teil der Tater:innen kommt aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld des Opfers (Familienmitglieder, Bekannte, Pädagog:in, Trainer:in, Übungsleiter:in oder Jugendliche)
  • Missbrauchshandlungen mit Körperkontakt findet insbesondere in der eigenen Wohnung (35,1%) bzw. der Wohnung der Täter:innen (25%) statt
  • Sexuelle Übergriffe geschehen selten spontan, sondern sind meistens vorbereitete und geplante Handlungen
  • Täter:innen erfüllen auf den ersten Blick meist die Kriterien idealer Mitarbeiter:innen: verhalten sich nach außen vorbildhaft, pflegen ein gutes Ansehen im Umfeld → damit die Glaubwürdigkeit des Opfers, wenn es sich jemandem anvertraut gering ist
  • Täter:innen suchen gezielt Situationen in denen sie auf leichte und unkomplizierte Weise (körperlichen) Kontakt mit Kindern und Jugendlichen eingehen und aufbauen können
  • sportliche Aktivitäten im allgemeinen sind sehr körperbezogen und Sportvereine bieten potenzielle Situationen, die sexualisierte Gewalt begünstigen können:
    • Hilfestellungen
    • spezifische Sportkleidung
    • Umkleidesituationen
    • Fahrten zu Wettkämpfen/Freizeiten mit Übernachtungen
    • Rituale wie Umarmungen z.B. bei Siegerehrungen
    • generell enge Bindung der Kinder und Jugendlichen an Trainer:innen
  • Im Sport kommt hinzu, dass junge Athletinnen und Athleten oft ihre Karriere nicht gefährden möchten und davon ausgehen, dass sie für den sportlichen Erfolg von der Gunst ihrer Trainer:innen abhängig sind

→ Unter solchen Bedingungen ist die Aufdeckung von sexualisierter Gewalt schwierig, denn Täter:innen können gegebenenfalls nur durch ganz genaues Hinsehen erkannt werden


Anmerkungen

1Erster Forschungsbericht zur Repräsentativbefragung Sexueller Missbrauch 2011, S. 33-35

2vgl.Aktiv im Kinderschutz Prävention sexualisierter Gewalt-Ein Handlungsleitfaden für Sportvereine in Schleswig-Holstein, 3. Auflage Mai 2017, S. 6

3vgl. Aktiv im Kinderschutz Prävention sexualisierter Gewalt-Ein Handlungsleitfaden für Sportvereine in Schleswig-Holstein, 3. Auflage Mai 2017, S. 6

4vgl. Aktiv im Kinderschutz Prävention sexualisierter Gewalt-Ein Handlungsleitfaden für Sportvereine in Schleswig-Holstein, 3. Auflage Mai 2017, S. 7

5vgl. Gegen sexualisierte Gewalt im Sport-Kommentierter Handlungsleitfaden für Sportvereine zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, S. 11, Hamburger Sportjugend

Weitere Literaturempfehlungen und Downloads findest du im Anhang.